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Tag des Herrn

Ruth Weinhold-Heße Foto: imago Psychische Belastungen bei Jugendlichen nehmen zu. Das merkt Jürgen Leide im schulischen Alltag. Was kann helfen, junge Menschen gestärkt in die Welt zu schicken? Ein Gespräch. Herr Leide, wie machen sich psychische Belastungen und Erkrankungen an Schulen bemerkbar? Zunächst dadurch, dass diese Themen im Schulalltag eine immer größere Rolle spielen und uns in vielen konkreten Situationen begegnen. „Mental health“ zu stärken, ist daher eine Herausforderung für Eltern und Schule. Alle bewegt die Frage: „Wie können wir unsere Kinder besser stärken und sie in ihren Problemen unterstützen?“ Es gibt bei uns pädagogische Konferenzen, in denen wir fragen: Wie gehts euch? Dabei werden Schüler und Eltern einbezogen. Ziel ist, Gewaltpotential oder andere Probleme frühzeitig zu erkennen. Aktuell fällt auf, dass 2023 rund ein Drittel der Schüler psychoemotional belastet war. Die Zahl hat in den letzten drei bis vier Jahren deutlich zugenommen. Bei Projektwochen sind psychoemotionale Themen stark nachgefragt, von Essstörung bis zur Frage: „Was stärkt mich?“ Die Kurse sind ganz schnell voll. Welche konkreten Probleme haben die Schüler? Das ist ein breites Spektrum: Es gibt vieles, was alterstypisch ist und zur Entwicklung gehört, aber darüber hinaus wachsende Zukunftsängste angesichts Krieg und Klima, Verunsicherungen, weil man „nur gut“ ist und den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird, Ängste, die zu selbstverletzendem Verhalten, Essstörungen bis hin zu Suizidgedanken führen. Auch familiäre Trennungssituationen zählen zu den großen Belastungen.  Spielt dabei Selbstoptimierung eine Rolle, die heute viele Menschen unter Druck setzt? Ich meine, ja. Ich erlebe derzeit stark den Zwang, alles für sich mitzunehmen, das Optimale herauszuholen, nichts versäumen zu wollen. Das führt dazu, dass Dinge in ihrer Bedeutung nicht mehr gewichtet werden können und junge Menschen von einer Verpflichtung zur nächsten hetzen. Was sind Ursachen dafür? Da spielt vieles zusammen. Ein Katalysator war auf jeden Fall die Corona-Krise. Belastungen waren schon vorher da, aber Corona hat sie zu Tage gebracht. Zu unseren aktuellen Tagesmeldungen gehört das Thema Krieg. Die Klimakatastrophe ist allgegenwärtig für Jugendliche. Wir Erwachsenen sagen ihnen: Ihr seid unsere Zukunft. Junge Menschen haben aber Ängste vor ihrer Zukunft.Ich zähle auch die Digitalisierung mit als Ursache, ein stillschweigender Turboantrieb für alle. Mich beschäftigt schon lange ein Gedanke des Jesuiten Leo O’Donovan. Als Präsident der Georgetown University in Washington sprach er bereits vor 20 Jahren vom Funktionalismus und Ökonomisierungszwang in unserem Leben, der sich immer weiter verstärkt. Er meinte, eine Antwort auf Verzweckung und Beschleunigung des Lebens sei Entschleunigung, das Sabbat-Gebot. Wir sollten Räume schaffen, in denen Unterbrechung, Stille möglich ist, wenn wir das Menschliche schützen wollen. Kann das Schülern helfen? Ja. Ich erlebe, dass Jugendliche geradezu eine Sehnsucht nach Stille haben. Sie brauchen Anleitung dazu, aber sie erleben dann, dass sich damit ein Raum eröffnet, durch den Kreativität, Selbsterfahrung, Meditation oder Gebet möglich werden. Dazu gehören auch Rituale, deren sinnstiftende Bedeutung sich im persönlichen Erleben erschließt. Wir haben da als Kirche einen Gegenentwurf für die Gesellschaft. Jürgen Leide ist Gymnasiallehrer, Gestaltpädagoge, Logotherapeut und Pädagogischer Leiter am katholischen St. Benno Gymnasium in Dresden.Welche Möglichkeiten hat eine katholische Schule, die eine andere nicht hat? Ich finde, es ist eine unserer Aufgaben, solche Rückzugsorte, Möglichkeiten des zwecklosen Verweilens, also Entschleunigung anzubieten: Wir haben eine Kapelle. Als der Gaza-Krieg losbrach, haben wir dort eine Klagemauer aus Backsteinen aufgebaut, in die junge Menschen Gedanken oder Gebete auf Zetteln stecken konnten. So erleben sie: Natürlich ist reden wichtig, es kann aber unsere Seele stärken, noch anders mit unseren Sorgen umzugehen. Wir bieten an unserer Schule Besinnungstage an, in denen sie die Erfahrung der Stille machen. Ich erlebe, dass sich Jugendliche im Tagebuchschreiben verlieren und tatsächlich darauf freuen, ihr Handy abzugeben. All solche Chancen sollten wir zur Stärkung unserer Kinder und Jugendlichen nutzen. Was gibt Ihnen Hoffnung? Immer, wenn Beziehungsqualitäten gestärkt werden. Ein Beispiel: Ein Klassenrat kann lehren, einander wirklich zuzuhören, sich ausreden zu lassen ohne zu bewerten. Wenn das gelingt, finden belastete Schüler Halt und beginnen, an sich selbst zu wachsen, weil sie diesen tragfähigen Boden haben. Keine Frage: dort, wo Jugendliche tatsächlich belastet sind, brauchen sie psychologische und professionelle Unterstützung. Mir ist es jedoch wichtig, genau hinzuschauen, damit die Angebote nicht ein Zuviel des Guten werden. Menschen werden sehr gestärkt, wenn sie Beziehungsqualität erleben und ihnen in diesem Halt etwas zugetraut wird: So können sie wachsen und Selbstwirksamkeit erfahren. Dafür sollten wir präventiv und im Alltag sorgen. Es geht auch darum, jungen Menschen ein Wertegerüst, das Bedeutung für ihr Leben hat, zu vermitteln. Werte helfen, Orientierung für das eigene Leben und Sinn zu finden. Ich denke, Jugendliche hierbei auf ihrem eigenen Weg zu begleiten, gehört zu den würdevollsten Aufgaben, die wir als Eltern oder Lehrer haben. Was können Eltern, die selbst Christen sind, ihren Kindern mitgeben? Sie können ihnen Geborgenheit und unbedingte Liebe vermitteln und das Zutrauen, dass Gott alle Wege mitgeht. Dafür muss niemand perfekt sein. Social Media macht das nicht so einfach. Dort zeigen sich wenige ungeschminkt und ehrlich. Genau. Da werden schon Kinder angeleitet zum illusorischen Perfektionismus. Deswegen müssen wir ihnen helfen, einen fehlerfreundlichen Lebensstil und Gelassenheit zu entwickeln, da sind Eltern und Schule besonders herausgefordert.   Veranstaltungstipp Vortrag von Dr. Boglarka Hadinger für Eltern und andere Interessierte: „Halt und Resilienz stärken – eine Herausforderung für alle“ am 15. Mai um 19 Uhr in der Aula des St. Benno-Gymnasiums (Pillnitzer Str. 39, Dresden)   Psychische Belastungen bei Jugendlichen nehmen zu
Eckhard Pohl Foto: Eckhard Pohl Martin Hohmann (links) und Harald Frank in Erfurt, im Hintergrund der Dom. Martin Hohmann möchte Menschen zu einem entschiedenen Christsein führen. Der gebürtige Hesse konvertierte zum katholischen Glauben. Jetzt wird er am Pfingstsamstag in Erfurt zum Priester geweiht. „Es war schon ein gewisser Kulturschock, als ich im September 2022 im Pastoralkurs ins Eichsfeld kam“, sagt Martin Hohmann schmunzelnd. „Ich stamme aus dem hessischen Eschenburg nahe Dillenburg. Für Katholiken ist dort tiefe Diaspora. Und dann kam ich ins volkskirchlich geprägte Eichsfeld.“Hohmann ist derzeit als Diakon in der Pfarrei Lengenfeld unterm Stein im Bistum Erfurt im Einsatz und will sich Pfingstsamstag zum Priester weihen lassen. „Ich stamme aus einer gemischtkonfessionellen Familie“, sagt der 45-Jährige.  „Wir waren drei Kinder. Ich bin protestantisch reformiert aufgewachsen.“ Auch als Jugendlicher sei er – anders als viele Altersgenossen – regelmäßig in den Gottesdienst gegangen. Spirituell geprägt sei er auch durch seine katholische Mutter, für die entzündete Kerzen, Gebet und Segen wichtig waren.Dass er mit 34 Jahren katholisch wurde, habe sich „nicht so sehr gegen den Protestantismus“ gerichtet.  „Ich habe in der katholischen Kirche eine noch überzeugendere Variante gefunden, den Glauben zu leben. Und klarere Positionen, etwa in ethischen Fragen zu Abtreibung oder Sterbehilfe.“ Beeindruckt habe ihn Papst Benedikt: „Mir hat sehr imponiert, wie er Glaube und Vernunft, Glaube und modernes wissenschaftliches Weltbild zusammengedacht hat. Und wie er davon spricht, dass wir vom Gewohnheits- zum Entscheidungschristentum kommen müssen.“ Bewusste Entscheidung für Ostdeutschland Ihm selbst sei das zum Anliegen geworden: „Mit meinem Dienst möchte ich Menschen in Zeiten zunehmender Entchristlichung zur persönlichen Entscheidung für den Glauben ermutigen.“Hohmann, der im Auto gern Rockmusik hört, aber auch klassische Musik schätzt, hat ursprünglich Deutsch und Geschichte für das Lehramt studiert und auch als Lehrer gearbeitet. Doch er sei zunehmend unzufrieden geworden mit der schulischen Situation, die zu wenig auf die Begleitung der jungen Menschen zu mündigen Personen orientiert gewesen sei.  Da er sich sehr für religiöse und philosophische Fragen interessierte, habe sich so die Idee entwickelt, noch Theologie zu studieren.Mit Hilfe eigener Ersparnisse studierte er an der Hochschule der Jesuiten in Frankfurt (Main) Theologie. „Ich habe dabei imponierende Menschen kennengelernt“, erinnert er sich gern. „Die Theologie dort ist stark vom Zweiten Vatikanischen Konzil geprägt.“  Mit dem Examen bewarb er sich als Priesterkandidat im Bistum Erfurt. „Thüringen hat mich interessiert. Ostdeutschland gilt neben Tschechien als atheistischtes Gebiet in Europa.“ Zwei Jahre bereitete sich Hohmann im Erfurter Priesterseminar auf seinen geistlichen Dienst vor. Seit 2022 ist er nun in der Pfarrei Lengenfeld, zunächst als Praktikant, jetzt als Diakon und in Kürze als  Kaplan im Einsatz. Zölibatär zu leben, habe er in gewisser Weise schon über Jahre eingeübt und könne es gut annehmen. „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29) hat er sich als Primizspruch für seinen künftigen Dienst als Priester gewählt. Dass er sich dafür entschieden hat, Priester zu werden, habe auch mit einem „Gefühl des Getragenseins zu tun“, dass er schon seit langem empfinde: „dass auch in Krisensituationen alles einen guten Ausgang nimmt“ und „einer da ist, der mich hält und trägt“. „Unsere Zeit“, sagt Hohmann, „braucht unbedingt Gott.“ Die Priesterweihe ist am 18. Mai, 9.30 Uhr, im Erfurter Dom. 14 Uhr beginnt eine Dankandacht   Zur Priesterweihe von Martin Hohmann
Eckhard Pohl Foto: Eckhard Pohl Martin Hohmann und Harald Frank (rechts) in Erfurt, im Hintergrund der Dom. Harald Frank wird am Samstag nach Pfingsten in Berlin die Priesterweihe empfangen. Er möchte Menschen, die nicht zum Kern der Gemeinden gehören, mit dem Glauben in Kontakt bringen. Harald Frank ist seit rund eineinhalb Jahren in der Pfarrei St. Otto Usedom-Anklam-Greifswald im Einsatz. „Unsere Pfarrei umfasst 2330 Quadratkilometer. Neben Greifswald, das durch viele Studenten sehr lebendig ist, gehören kleine Gemeinden wie Wolgast, aber auch Ferienorte wie Zinnowitz mit dem Haus St. Otto dazu“, sagt der 49-Jährige. „Um die damit verbundenen Herausforderungen noch besser zu meistern, müssen wir stärker ökumenisch zusammenarbeiten, wie das schon zwischen den Studentengemeinden in Greifswald geschieht.“ Er erlebe in Greifswald Kirche in Vielfalt und Breite, sagt Frank dankbar. Eine entscheidende Frage sei: „Wie öffnen wir uns den Menschen, die nicht zu einer Gemeinde gehören?“ Eine ganz wichtige Aufgabe dabei sei es wohl, „mit den Menschen gemeinsam im Leben unterwegs zu sein“. Die Feier der Liturgie gehöre unbedingt dazu. Frank erlebt es als wichtige Herausforderung in der Gemeinde, zwischen den verschiedenen Auffassungen und Wünschen „auszubalancieren“. „Es ist eine große und zeitintensive Aufgabe, Menschen individuell auf ihrem Glaubensweg zu begleiten“, sagt Frank. Aber das sei nötig. „Es ist heute wichtig, dass jeder in der Kirche einen Platz finden kann.“ Berufswechsel, da es im Leben um mehr gehen sollte als um Geld Harald Frank wurde 1974 in Urach in Württemberg geboren. Er wuchs mit zwei jüngeren Schwestern auf. Nach Abitur, Zivildienst, Ausbildung zum Versicherungskaufmann und Betriebswirtschafts-Studium war er 15 Jahre im Bereich Informationstechnologie in Finanzunternehmen tätig und wohnte in Berlin-Steglitz und in Österreich. „Bei meinen Aufgaben ging es immer um Finanzen. Das hat seine Berechtigung. Aber man kommt nicht mit den Menschen in Beziehung.“ Auf dem Arbeitsweg sei er immer an einer Einrichtung für behinderte Menschen vorbeigekommen. „Das hat mich bewegt. Menschen sehnen sich nach mehr. Da muss es doch noch was anderes geben als etwa Geld.“ Frank bewarb sich 2015 beim Erzbistum Berlin als Priesterkandidat. Zunächst absolvierte er ein theologisches Einführungsjahr mit Altsprachen-Ausbildung in Bamberg. Es folgten Studienjahre in St. Georgen Frankfurt (Main) und im Spätberufenen-Priesterseminar Studienhaus St. Lambert in Lantershofen. Sein Magisterstudium schloß er 2022 an der Theologischen Fakultät in Trier ab. Im September 2022 begann die dreijährige Berufseinführung. Seitdem ist er in der Pfarrei Greifswald eingesetzt. Harald Frank fährt gern Motorrad, hat selbst eine Maschine. Musik höre er von Klassik bis Techno fast alles. Seine Ausbildung als Rettungsschwimmer passt zu den Ostseestränden auf Usedom. Wie sich da etwas verbinden lasse zwischen Strand und dem Glauben, darüber sei man derzeit im Pfarreiteam im Gespräch, verrät er. Als Wort für sein priesterliches Leben hat er sich aus dem Johannes-Evangelium den Vers „Ich aber habe euch Freunde genannt“ (Joh 15,15) ausgewählt. „Es muss heute darum gehen, Kirche – auch wenn sie so verfasst ist – nicht mehr nur hierarchisch zu begreifen und zu leben. Wir müssen und sollen auf Augenhöhe miteinander umgehen.“ Frank wünscht sich in seinem priesterlichen Dienst Gelegenheiten, mit Menschen in Kontakt zu kommen, wo sie es nicht erwarten. Und klar werde er als Kaplan einüben, die Liturgie zu feiern, Kinder auf die Erstkommunion vorzubereiten, Menschen mit den Sakramenten zu stärken. Harald Frank wird am 25. Mai, 10 Uhr, in St. Joseph (Müllerstraße 161, Berlin) zum Priester geweiht. Am 2. Juni, 11 Uhr, wird er in St. Joseph in Greifswald die erste heilige Messe feiern   Zur Priesterweihe von Harald Frank
Stefan Schilde Fotos: Stefan Schilde Laurin Büchner hatte zwar keine Finanztipps parat, weiß aber, was wahrer Reichtum ist. „Die Bibel hinter ihren Mauern hervorholen“ – das wollte der Tag der Bibel 2024 in Görlitz. Dazu wurden auch biblische Geschichten zu bestimmten Themen vorgelesen – an Orten des Alltags. „Großer Gott, wir loben dich“ – das vierköpfige Blasorchester weist den Weg: In dieser Bankfiliale in der Görlitzer Innenstadt – und nicht etwa in einer der vielen christlichen Gemeindehäuser der Stadt – wird gleich aus der Bibel vorgelesen. Die Heilige Schrift als Finanzratgeber – so lockt das Programmheft des Tags der Bibel 2024 in die Volksbank.  Biblischer Finanzexperte soll Laurin Büchner sein. Der 14-Jährige geht an die Freie evangelische Oberschule und musste nach eigenem Bekunden nicht erst lange überredet werden. Was er vorliest, so viel wird schnell klar, wird wohl für keine großen Sprünge auf den Konten der anwesenden Zuhörer sorgen, denn Finanztipps enthält weder die Geschichte von Abraham und Sara noch die von König Salomo. Dafür beschreiben sie, was wahrer Reichtum noch bedeuten kann: Kinder und Familie, aber auch große Weisheit. „Als Gott König Salomo eine Bitte gewähren will, wünscht sich der nicht großen Reichtum, sondern ein hörendes Herz, um das Volk weise zu regieren und Gutes vom Bösen zu unterscheiden“, erklärt Laurin Büchner. „Für seinen bescheidenen Wunsch wird Salomo von Gott obendrein reich beschenkt.“ Im Hintergrund klimpern die Münzen, die ein Kunde gerade in den Einzahlungsautomaten gibt. Bibellesungen an dafür eher ungewöhnlichen Orten – die Idee gehört zum Programm vom „Tag der Bibel 2024“. Der Gedanke dahinter: Mit der Heiligen Schrift unter dem Arm dorthin gehen, wo das wahre Leben spielt: in der Bank und auf dem Polizeirevier, im Garten und im Modehaus zum Beispiel. „Ich bin nicht getauft“, sagt Laurin Büchner. „Aber man kann von den Geschichten aus der Bibel viel lernen.“ Auch Bankmitarbeiterin Daniela Gayh hat zugehört. Sie sei keine Christin, gehe nur an Heiligabend in die Kirche. „Trotzdem“, meint sie, „stimmt, was dort in der Bibel steht: Wahrer Reichtum ist viel mehr als Geld.“ Was sie betrifft, steht die Gesundheit immer an erster Stelle. „Andererseits“, fügt sie augenzwinkernd hinzu, „schadet es auch nicht, wenn das eigene Geld in guten Händen ist“. Katholikin liest düstere Krimigeschichten Nach der Lektion über wahren Reichtum warten, kaum zehn Fußminuten von der Bank entfernt, in der Görlitzer Polizeidirektion biblische Kriminalgeschichten. Der private Wachschutz am Einlass ist freundlich, die Räume sind großzügig, die Wände hell – wie einladend! Polizisten, die zum Einsatz ausrücken? Fehlanzeige. Nur die Fahndungsplakate lassen erahnen, wo man gerade ist.  Christina Kunitzki aus der Görlitzer Gemeinde St. Wenzelmit dem evangelischen Polizeiseelsorger Pfarrer Frank Hirschmann.„Mein Mann und ich haben schon einmal eine Untersuchungshaftanstalt besichtigt“, erzählt eine Besucherin. „An den Bedingungen für die Häftlinge dort gab es nichts auszusetzen.“ Dass auch Schwerverbrecher ihre Strafe heute nicht mehr in finsteren Verliesen absitzen müssen, findet sie richtig: „Durch schlechte Verhältnisse bessern wir doch niemanden.“ Sie ist gespannt, welche Krimis aus der Bibel sie gleich erwarten. „Hoffentlich hören wir nicht nur Kain und Abel.“ Christina Kunitzki, Pfarreirätin und Jugendgruppenleiterin in der katholischen Gemeinde St. Wenzel, tut ihr den Gefallen. Hauptberuflich arbeitet sie in der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt, versucht unter anderem, die illegale Einfuhr von Tieren zu unterbinden.  Nun liest sie, wie Jakob seinen Bruder Esau um das Erstgeborenenrecht und seinen Vater Isaak um dessen Segen betrog, ebenso vom Kindermord des König Herodes. Am meisten Eindruck hinterließ jedoch die Erzählung von Susanna im Bade aus dem Buch Daniel.  Die unschuldige Frau, die erst in letzter Sekunde durch göttliche Intervention vom Propheten Daniel aus einer üblen Intrige gerettet wird, zieht die Zuhörer hörbar in den Bann. Nach dem Happy End vor Erleichterung am lautesten aufgeseufzt hat Christa Tzschaschel. „Es dauert manchmal seine Zeit, bis die Wahrheit ans Licht kommt. Zu hören, dass Gott Susannas Gebete letztlich doch erhört hat, bestärkt auch mich“, sagt die Görlitzer Christin, die selbst schon schwere Schicksalsschläge in der Familie erlitten hat. Hobbygärtner Jürgen Wenzel, Gastgeber der biblischen Gartengeschichten, erfreut sich an seinem Fichten-„Hexenbesen“.Lob der Schöpfung – und mutiger Frauen Einen solch schönen Garten wie diesen gebe es an seinem Arbeitsplatz, der Justizvollzugsanstalt Bautzen, dem „Gelben Elend“, nicht, sagt der evangelische Gefängnisseelsorger Matthias Mory. Er steht im aufwendig angelegten Garten der Familie Wenzel. Um ihn herum, auf Bänken, Stühlen und im Gras sitzt erwartungsfroh die Zuhörerschaft. Die Psalmen, die Mory vorträgt, preisen Gott und seine Schöpfung: „Wie zahlreich sind deine Werke, Herr, sie alle hast du mit Weisheit gemacht, die Erde ist voll von deinen Geschöpfen.“ Den „großen Gärtner“ nennt er Gott, präsentiert dazu das gleichnamige Bild des Malers Emil Nolde. Und was Gott geschaffen habe, das müsse der Mensch auch achten und bewahren. „Stattdessen leben wir längst nicht mehr in Einklang mit der Natur, die uns umgibt. Dabei ist sie kein Schlaraffenland, in dem man tun und lassen kann, was man will“, sagt Mory. Während er liest, fliegen die Schmetterlinge, summen die Hummeln, zwitschern die Vögel und weht der Wind durch die Baumwipfel, als wollten sie alle für die passende Illustration sorgen. Viele Zuhörer haben die Augen zu, lassen sich die warme Sonne ins Gesicht scheinen. Ein paar besonders große Gartenfreunde sind schon mal auf Erkundungstour gegangen. Aufmerksam zugehört hat Alexander Reichart, der extra aus dem 200 Kilometer entfernten Jüterbog nach Görlitz gekommen ist. Dass die Kirche ihre Botschaft heute explizit mit der Bibel nach außen tragen will, findet er wichtig. „Wenn es zum Beispiel um praktische Flüchtlings- oder Umwelthilfe geht, ist Kirche sehr sichtbar draußen“, sagt er. „Doch wenn es um die Heilige Schrift geht, war das bisher häufig anders. Deshalb bin ich gern dabei.“ „Einordnung wäre gut gewesen“ Wie gekonnt Brigitta Nerlich die Erzählungen über mutige Frauen vorlas.Etwas weniger weitläufig als im großen Garten der Wenzels ist es im ersten Stock des Modehauses „Schwind’s Erben“ mit seinem farbenfrohen Sortiment. Ganz viele Zuhörerinnen – aber auch einige Zuhörer – wollen dort die Geschichten mutiger Frauen aus der Bibel hören. „Es sind leider nur wenige, aber es gibt sie“, kündigt Vorleserin Brigitta Nerlich an. Da wäre Abigajil, die Ehefrau Nabals, die auf eigene Faust Entscheidungen trifft, um Unheil von ihrer Familie abzuwenden. Ihr Ehemann hatte David leichtsinnig brüskiert. „Um David zu beschwichtigen, handelte sie blitzschnell und klug, ohne Rücksprache mit ihrem Mann“, sagt sie. Ebenso couragiert beschreibt die Bibel Ester, die Ehefrau des Perserkönigs Xerxes. „Durch ihr Einschreiten verhinderte sie einen Genozid an der jüdischen Bevölkerung des persischen Reichs“, erklärt Brigitta Nerlich. Alles hängt an ihren Lippen, so gekonnt setzt sie ihre Stimme ein, fast wie im Hörbuch. „Mein Vater hatte ein Tonstudio, da habe ich viel mit meiner Stimme ausprobiert“, erzählt sie. Den Ansatz, biblische Geschichten im Alltagsumfeld zu erzählen, findet sie „wunderbar“. Katrin S. und ihre Tochter Charlotte freuten sich auf die Lesung.Frauengeschichten, die ausgerechnet in einem Modehaus verlesen werden – ist das nicht etwas klischeebehaftet? Nein, das habe sie nicht gestört, finden Katrin und Charlotte, Mutter und Tochter, die mit dabei waren.  Generell finden sie die Idee der Bibellesungen an thematisch passenden Orten super. „Ich könnte mir vorstellen, dass man so mehr Nicht-Kirchengänger erreicht“, sagt Tochter Charlotte, die sonst eher selten zu Veranstaltungen in ihre Kirchengemeinde geht. „Aber“, ergänzt die Gymnasiastin, „bei den eben gehörten Frauengeschichten wäre eine Einordnung in den historischen Kontext oder eine Runde, bei der man das Gehörte danach gemeinsam reflektieren kann, vielleicht ganz sinnvoll.“ Die teils archaischen Vorstellungen, die aus den biblischen Texten sprächen, könnten auf Außenstehende sonst eher befremdlich wirken. Sonst waren beide voll des Lobes über den Bibeltag. „Durch diesen Ansatz waren nicht nur die Gemeinden mit ihren Räumen eingebunden, sondern ein Stück weit die ganze Stadt“, sagt Mutter Katrin.  Kirche dürfe sich gern öfter so präsentieren. Findet auch Modehaus-Besitzer Georg Schwind, selbst Christ, der bei der Anfrage der Organisatoren gar nicht lange nachdenken musste: „Ich dachte mir: Endlich kommt die Bibel mal aus ihrem Versteck.“ Kommentar Es hat wirklich alles gepasst an diesem Samstag in Görlitz, dem „Tag der Bibel 2024“. Die Sonne lachte, die Leute waren gut gelaunt und weil alles fußläufig zu erreichen war, fiel auch der Streik der Bus- und Tramfahrer nicht weiter ins Gewicht. Die Idee, Bibelgeschichten an dazu passenden Orten zu lesen, fand ich gelungen. Themen und Schauplätze waren sehr gut gewählt. Allerdings hätte es an manchen der Orte ein Raum mit etwas mehr Atmosphäre sein dürfen. Im modernen Schulungsraum der Polizeidirektion erinnerte zum Beispiel nur wenig an die Polizei und die Jagd nach Verbrechern. Aber das ist wirklich Meckern auf ganz hohem Niveau. Schon der hohe Zuspruch bei den Lesungen schreit nach Wiederholung!             Görlitzer Bibeltag 2024
Dorothee Wanzek Foto: AdobeStock Erfurter Christen haben sich auf die Katholikentagsgäste vorbereitet. Im Bild der Domplatz mit dem Mariendom und der Severi-Kirche. Mit einem Begegnungsabend am 29. Mai beginnt der Katholikentag in Erfurt. Im eigenen Programmangebot des Gastgeber-Bistums ist auch der TAG DES HERRN vertreten. Wo könnten ostdeutsche Bistümer noch fruchtbarer zusammenarbeiten? Wie engagieren sich katholische Einrichtungen gegen die wachsende Polarisierung der Gesellschaft? Und was erleben Katholiken, die sich als Christen bewusst nicht (nur) in der Kirche, sondern bei der Feuerwehr, als Schul-Elternvertreter oder in Bürgerinitiativen engagieren? Diese Fragen diskutieren TAG DES HERRN-Redakteure mit ihren Gesprächspartnern beim Katholikentag ab dem 30. Mai jeweils nachmittags von 14 bis 15.30 Uhr im St. Ursula-Haus am Erfurter Anger. Zusammenarbeiten nur des Geldes wegen? „Einigkeit macht stark“ heißt das Motto der Auftaktrunde am Donnerstag. Redaktionsleiterin Dorothee Wanzek trifft dort auf den Magdeburger Bischof Gerhard Feige, auf Generalvikar Manfred Kollig aus Berlin, eine Vertreterin der Caritas und den MDR-Senderbeauftragten Guido Erbrich. „Wo hat sich bistumsübergreifende Zusammenarbeit seit der DDR-Zeit bewährt?“, wird dabei unter anderem diskutiert. Es geht um Motive, die über allgegenwärtige Sparzwänge hinaus dazu bewegen, das Miteinander zu intensivieren und neue Felder der Kooperation zu erschließen und um unüberwindliche oder möglicherweise auch durchaus verrückbare Grenzen des Zusammenwirkens. TAG DES HERRN-Redakteurin Ruth Weinhold-Heße spricht am Freitag mit der Leiterin des Katholischen Büros Sachsen, Daniela Pscheida-Überreiter, und mit Akteuren kirchlicher Einrichtungen darüber, wie sie die Veränderung des sozialen Klimas erleben. Sie fragt ihre Gesprächspartner, wie sie eine Kultur des Respekts fördern und ob sie der wachsenden Demokratieskepsis und -feindlichkeit etwas entgegenzusetzen haben. Nicht immer erfahren Katholiken, denen es wichtig ist, sich als Christen in die Zivilgesellschaft einzubringen, aus ihren Kirchengemeinden dafür den Rückhalt und die Wertschätzung, die sie brauchen. Manche fühlen sich übersehen oder bekommen Vorwürfe über ihr fehlendes Engagement in Pfarreirat, Kirchenchor oder Kindergottesdienstkreis zu hören. In der Gesprächsrunde am Samstag will Redakteur Stefan Schilde ihr christliches Engagement sichtbar machen. Er lässt Christen erzählen, wie sie selbst ihre Rolle im Zusammenwirken mit engagierten Ungetauften wahrnehmen und welche Echos sie an ihren Einsatzfeldern bekommen. Im Hof des St. Ursula-Hauses wird Willi Krug, der Leiter des TAG DES HERRN-Service-Teams, während des Katholikentags mit einem Informationszelt präsent sein. „Wir werden uns viel zu verzeihen haben“ Bei einer der großen Podiumsveranstaltungen in der Reglerkirche tritt der Tag des Herrn am Freitag von 11 bis 12.30 Uhr als Mitveranstalter auf. „Christen und Nichtreligiöse im Dialog über Versöhnung“ lautet der Titel der von Claudia Nothelle moderierten Debatte mit dem Philosophen Professor Eberhard Tiefensee aus Leipzig, dem Leipziger Propst Gregor Giele, Sachsen-Anhalts Infrastrukturministerin Lydia Hüskens, dem Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland, Carsten Schneider, und der Journalistin Valerie Schönian. Inspiriert vom Ausspruch „Wir werden uns viel zu verzeihen haben“, den der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn auf der Höhe der Pandemie machte, schauen die Gesprächspartner die Unversöhnlichkeiten an, die aktuell manche gute gesellschaftliche Entwicklung blockieren. „Was können Christen dazu beitragen, dass Verletzungen heilen und Blockaden sich lösen?“, wird dabei eine zentrale Frage sein. TAG DES HERRN auf dem Katholikentag 2024 in Erfurt
Lissy Eichert „Jetzt hätte ich fünf Minuten. Mehr braucht man nicht.“ Ich habe ein Interview mit Igal Avidan, Autor und Journalist aus Tel Aviv ergattert. Fünf Minuten reichen ihm. Lissy Eichert, Berlin„Wort zum Sonntag“-SprecherinNicht schlecht, staune ich – für ein so schwieriges Thema wie das jüdisch-arabische Zusammenleben.  Avidan lebt seit 30 Jahren in Deutschland, arbeitet unter anderem als Korrespondent für den Deutschlandfunk. Seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und der israelischen Reaktion scheint ein friedliches Miteinander unmöglich. Avidan glaubt dennoch daran und erzählt davon in seinem Buch „… und es wurde Licht“. Mittlerweile hat der Autor 40 Lesungen gehalten, auch in palästinensischen Buchclubs. Es sei wichtig zu reden, wenn andere schießen. Alle Veranstaltungen fanden ohne Störung statt. Bemerkenswert. Denn ich stelle eine gewisse Hysterie in Berlin fest, wenn es um Gaza geht.  Junge Palästinenser erleben, dass sie nichts mehr sagen können, ohne eine Eskalation fürchten zu müssen und Juden haben die berechtigte Angst vor Übergriffen. Avidan ist mit Israelis und Palästinensern befreundet. „Was können wir jetzt für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern tun?“, fragte ihn eine palästinensische Freundin. Sie hat ihre Nichte in Gaza verloren. Er antwortet: „Wir erzählen von unserer Freundschaft.“ Funktioniert Freundschaft als Antwort? Ja, weil Freunden das Leid der anderen nicht egal ist. Es klingt so schlicht, denke ich. Und ist so wahr. Von den fünf Minuten ist noch eine übrig. Avidan ist überzeugt, dass durch Freundschaft eine andere Reaktion als Hass möglich ist. Seine palästinensische Freundin sieht es ebenso: „Dein Soldat hat meine Nichte erschossen und trotzdem umarme ich dich.“ Anstoß 16/2024
Foto: imago/epd Bei der Erwachsenentaufe antworten die Täuflinge selbst auf die Fragen nach ihrem Glauben. Wie diese Fragen lauten, hängt auch vom jeweiligen Taufspender ab. Sollte liturgische Sprache verständlicher sein? Die Priester Gregor Giele und Christian Hecht diskutieren über eine moderne Version der Absage und des Glaubensbekenntnisses im Taufritus.   Pro: Auf der Suche nach verständlichen Glaubensaussagen Zunächst einmal vorneweg: Das „große Glaubensbekenntnis“ wie auch das in der Liturgie häufiger verwendete „Apostolische Glaubensbekenntnis“, sind die verbindliche Glaubensgrundlage der allermeisten Christen und Kirchen, haben also eine verbindende und verbindliche Qualität. Das ist unbestritten und steht nicht zur Diskussion. In der alltäglichen seelsorgerischen Praxis stellt sich allerdings die Frage, ob diese gewachsenen und hochtheologischen Texte immer die richtige Wahl sind – besonders dort, wo zur Befragung des Glaubens noch die „Absage“ hinzutritt: „Widersagt ihr dem Satan?“ „Und all seinen Werken?“ „Und all seinen Verlockungen?“ Das sind Formulierungen, mit denen sich nicht wenige Nichtglaubende, kirchlich Distanzierte sowie Menschen, die im Glauben fest verwurzelt sind, schwertun. Auch die durch häufigen Gebrauch selbstverständlich erscheinende Rede vom „eingeborenen Sohn“, der „Jungfrau Maria“ der „heiligen katholischen Kirche“, etc. sind nicht einfach selbsterklärend. Deshalb halte ich es aus pastoralen Gründen für absolut legitim, im Blick auf die konkrete Feiergemeinde nach geeigneten Formulierungen zu suchen, die die Inhalte des Glaubensbekenntnisses auch für Nichtglaubende oder kirchlich wie geistlich weniger beheimatete Christen nachvollziehbarer machen. Außerdem ist es immer Aufgabe der Liturgie, den Glauben in der jeweiligen Zeit und einer zeitgemäßen Sprache auszusagen. Davon sollte das Glaubensbekenntnis nicht ausgenommen sein. Dass dies ein berechtigtes Anliegen ist, führt uns unter anderem das Gotteslob vor. Neben der Vertonung des Volltextes des Credos finden sich dort wie selbstverständlich auch so genannte „Credo-Lieder“, die mit eigenen Textvarianten zum Bekenntnis des Glaubens einladen und im Gottesdienst dafür genutzt werden. Aus diesem Grund geht es für mich weniger um die Frage nach der Erlaubtheit anderer Formulierungen, sondern darum, ob die gewählten neuen Texte dem Anliegen des Bekenntnisses des Glaubens in guter Weise gerecht werden. // Gregor Giele ist Propst in Leipzig. Er nutzt die neue Version der Tauffragen in seinenGottesdiensten.   Contra: Liturgische Sprache als Brücke zu Gott Immer wieder werden Stimmen laut, die eine Vereinfachung oder bessere Verständlichkeit der liturgischen Sprache fordern. Sie müsse in die heutige Zeit übersetzt werden und nicht im Pathos der Geschichte verharren. Doch was ist eigentlich Verständlichkeit? Dabei geht es um mehr als nur ein reines Hören und Begreifen des Textes, der gesprochen wird. Es ist vor allem der Dialog, zu dem der einzelne Gläubige zusammen mit der Kirche zu Gott eintritt. Genau hier unterscheidet sich das persönliche Gebet vom liturgischen Gebet der Kirche. Letzteres greift zum einen die Tradition auf, in der wir als Gläubige auch heute stehen. Zum anderen verdeutlicht es, dass hier eine andere Ebene ins Spiel kommt, die eben nicht nur zwischenmenschlich stattfindet, sondern auch durch die Sprache zu Gott emporheben möchte. Es ist vergleichbar mit der Sprache literarischer und durchkomponierter Texte, die Schönheit und auch immer etwas von einer Entzogenheit beinhalten. Die Liturgie ist deshalb für mich nicht der Ort der Katechese, bei der Erklärungen schwieriger Sachverhalte gegeben werden, sondern setzt dies vielmehr voraus. Es sind sich ergänzende Felder. Die Erklärung der Texte und Riten, beispielsweise bei der Taufe geschieht im Gespräch davor. Deshalb plädiere ich dafür, dass die Sprache der Liturgie gerade auch die alten Texte unseres Glaubens ins Wort hebt, mit denen ich mich dann auseinandersetzen darf. Liturgie darf sich durch ihre Sprache gerade vom Alltag unterscheiden, weil sie Begegnung mit Gott ist. // Christian Hecht ist Pfarrer in Wurzen. Als Mitglied der Kommission für Liturgie und Kunst im Bistum Dresden-Meißen beschäftigt ihn auch die Frage nach einer angemessenen liturgischen Sprache.   Hintergrund Alternative Tauffragen (*) Widersagt ihr allem, was böse und schlecht ist und allem, was diese Welt, die gute Schöpfung Gottes, gefährdet? Widersagt ihr allem, was unmenschlich ist, was dem Leben entgegensteht und allem, was das menschliche Zusammenleben dunkel macht? Widersagt ihr der Versuchung, nichts zu glauben und nichts mehr zu erhoffen? Glaubt ihr an Gott, den Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der das Leben vielfältig geschaffen hat und will, an den Gott, der Großes an uns tut, der uns in seinen Händen hält und dem wir alles verdanken? Glaubt ihr an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, an seine frohe Botschaft von einem Leben in Fülle, an seine Hingabe für uns, an sein Leiden und Sterben, an seine Auferweckung und an den Sieg des Lebens über den Tod? Glaubt ihr an den Heiligen Geist, der mitten unter uns ist, wo wir einander ehrlich und liebevoll begegnen? Glaubt ihr an die vielfältige Gemeinschaft der Getauften, in der Menschen miteinander das Leben und Gott suchen können? (*) Diesen Text hat eine holländische Stiftung verfasst, die sich der Erneuerung der liturgischen Sprache widmet. Offizielle Fragen des katholischen Taufritus Widersagt ihr dem Satan? Und all seinen Werken? Und all seinen Verlockungen? Glaubt ihr an Gott den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde? Glaubt ihr an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, der geboren ist von der Jungfrau Maria, der gelitten hat, gestorben ist und begraben wurde, von den Toten auferstand und zur Rechten des Vaters sitzt? Glaubt ihr an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, die Vergebung der Sünden, die Auferstehung der Toten und das ewige Leben? Neues Glaubensbekenntnis bei der Taufe – Pro & Contra
Andrea von Fournier Foto: imago/epd Ministrantenwallfahrt 2018 – auch sechs Jahre später freuen sich die Ministranten wieder auf gut gelaunte Begegnungen. Oberministrantin Sarah Kraywinkel gehört zum Berliner Vorbereitungsteam der Ministrantenwallfahrt in Rom. Im Jugendhaus des Erzbistums absolviert sie außerdem ein ganz besonderes Freiwilliges Soziales Jahr. Um die 40 Grad heiß könnte es Ende Juli in Rom werden, wenn sich dort tausende Jungen und Mädchen aus aller Welt treffen. Sarah Kraywinkel (20) aus Berlin freut sich trotzdem riesig auf eine spannende Woche in der italienischen Hauptstadt. Sie gehört zum Berliner Organisations- und Begleitteam der 13. Internationalen Rom-Wallfahrt für Ministranten. „Mit Dir“ heißt das Motto der Wallfahrt, die für die Oberministrantin an der Berliner Rosenkranz-Basilika bereits volle Fahrt aufgenommen hat. Nach dem Anmeldeschluss im Frühjahr stand fest, dass die 200 Plätze für die Fahrt aus dem Erzbistum Berlin besetzt waren und sogar noch eine Warteliste aufgestellt werden konnte.Eine erste Zusammenkunft von Teilnehmern gab es bereits. Zurzeit planen die ehrenamtlichen Wallfahrts-Organisatoren die Reise im Detail, immer im Gespräch mit Verantwortlichen im Erzbistum, mit Gruppenleitern und Ministranten.  Sarah Kraywinkel an ihrem FSJ-Standort in Grünheide.Foto: Andrea von FournierDass sich Sarah Kraywinkel in der Kirche engagiert, hat sich vor rund sieben Jahren ergeben. Die gebürtige Essenerin war im Kindergartenalter mit ihren Eltern nach Berlin gezogen. Den christlichen Glauben lernten sie und ihre Schwester bei ihrer katholischen Mutter und dem evangelischen Vater kennen. Zu Hause wurden die Kirchenfeste gefeiert. Sarah ging zur Erstkommunion, wurde gefirmt und kam danach und durch Freunde zur Rosenkranz-Basilika, die eigentlich nicht ihre „zuständige“ Gemeinde ist. Hier gefiel es ihr so gut, dass sie sich, auch von der Gemeindereferentin motiviert, mit einer Freundin für die Ministranten-Ausbildung entschied. Bis heute ist sie zuverlässig dabei, seit 2019 als Oberministrantin. Unter anderem ist sie gemeinsam mit dem Kaplan für die Ausbildung neuer Minis verantwortlich. Seit Corona beobachtet sie, dass es weniger Nachwuchs gibt. Das betrübt sie. Ihr selbst macht es Freude, mit Gleichgesinnten für die Festtage zu proben, Gruppenstunden vorzubereiten oder Fahrten zu organisieren. Sie möchte gern andere zum Mitmachen motivieren. In den vier Kirchen der Rosenkranz-Pfarrei sei Mini-Nachwuchs stets willkommen. Christliches Gemeinschaftsleben tiefer kennenlernen Sie selbst verbringt aktuell viel Zeit im Christian-Schreiber-Haus in Altbuchhorst, dem Jugendhaus des Erzbistums. Mit anderen jungen Christen absolviert sie hier gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr. „T-Raum“ heißt das spezielle Angebot. Die Teilnehmer packen im Haus mit an, leben zusammen in einer Wohngemeinschaft und lernen christliches Gemeinschaftsleben tiefer kennen. Bei den Gottesdiensten im Haus kann sie ministrieren. Sie leitet Workshops mit Kindern und Jugendlichen und engagiert sich im Vorbereitungsteam der Ministrantenwallfahrt. „Planen und Organisieren – das mag ich“, sagt Sarah Kraywinkel. Sie gehörte bereits beim Weltjugendtag in Lissabon 2023 zum Vorbereitungsteam.Trotz all der Arbeit kann sie das „T-Raum“-Jahr nutzen, sich in Ruhe zu sammeln und ihren Berufseinstieg zu planen. Eigentlich wollte die junge Frau, die in der Freizeit Musik und Sport liebt, sich mit Kunst und Fotografie befasst, nach dem Abitur im vergangenen Sommer erstmal ins Ausland gehen. Aufenthalte im Ausland gehören auch zum „T-Raum“-Programm. Gerade hat Sarah drei spannende Wochen in einer katholischen Gemeinde in Oslo erlebt und damit ein Stück Weltkirche kennengelernt. Nun wird sie sich wahrscheinlich für ein Studium der Sozialarbeit oder Religionspädagogik bewerben, in Berlin. „Hier sind meine Freunde, ich fühle mich in verschiedenen Teams wohl“, erklärt sie. Der Glauben spiele eine große Rolle in ihrem Alltag, durch das Ministrieren habe sie viele neue Freunde gewonnen und das Gemeinschaftsgefühl empfinde sie als bestärkend. Nun schultert sie neben der täglichen Arbeit in Grünheide und der bevorstehenden Studienbewerbung erstmal die Wallfahrts-Vorbereitung, die es im Detail in sich hat. Aber auch da kann sie sich auf ein großartiges Team verlassen. Vorbereitung für Ministrantenwallfahrt 2024 nach Rom
Dorothee Wanzek Foto: imago/Shotshop Bislang wurde nur jede zehnte Beschwerde in einem beleidigenden Ton vorgebracht. Seit Dezember arbeitet Esther Große im Erzbistum Berlin als Beschwerdemanagerin. Sie sorgt dafür, dass Katholiken, die Anlass zur Beschwerde haben, Gehör finden und erfahren, ob sich nach ihrem Hinweis etwas verbessert hat. Die heilige Messe im Jugendhaus des Erzbistums war gut besucht an einem Sonntag im letzten Herbst. Wie häufig an Sonntagen hatten sich zu Kursteilnehmern und Hausbewohnern auch Christen aus Gemeinden im nahgelegenen Südosten Berlins gesellt. Einige verließen den Gottesdienst an diesem Tag verärgert, darunter auch eine nicht mehr jugendliche Frau aus Erkner. Sie komme sonntags öfters ins Christian-Schreiber-Haus nach Altbuchhorst, um einen jugendgemäß gestalteten lebendigen Gottesdienst mitzufeiern, schrieb sie Wochen nach der Feier an den Tag des Herrn. Der junge Priester, der den Gottesdienst leitete, habe den Versammelten an diesem Tag nach dem Sanctus-Ruf mitgeteilt, dass an der Kommunion nur diejenigen teilnehmen dürften, die sitzen oder knien, berichtete die Katholikin. Etliche Frauen und Männer hätten seit Beginn der Messe gestanden, und einige von ihnen seien auch nach der Ansage des Priesters stehen geblieben. Der Zelebrant habe ihnen daraufhin die Kommunion verwehrt. Beschwerdemanagerin Esther Große„Ich habe das als Missbrauch priesterlicher Macht empfunden“, erläuterte die Frau aus Erkner, die selbst nicht unter den Stehenden war. „Stehen ist doch eine würdige Gebetshaltung und es steht Geistlichen nicht zu, Christen mit einer solchen Willkür vom Kommunionempfang auszuschließen“, sagte sie. Es gehe ihr nicht darum, Dampf abzulassen. Sie wolle verhindern, dass weitere Katholiken ähnlich unangenehme Erfahrungen machten. Die Empörung der Gottesdienstteilnehmer brach sich auf verschiedenen Wegen Bahn. Einige machten ihrem Unmut im Jugendhaus Luft, andere ließen ihn in ihren Gemeinden ab, wieder andere wandten sich an verschiedene Mitarbeiter des Erzbischöflichen Ordinariats bis hin zum Erzbischof. Der kümmerte sich um das Anliegen der aufgebrachten Messbesucher, hörte ihnen zu, führte Gespräche mit dem Priester und seinem direkten Vorgesetzten und betonte, dass er das Vorgefallene missbillige und an dem Thema dranbleiben werde. Nicht immer sind Christen, die sich über Missstände beschweren wollten, in der Vergangenheit zum Ziel gekommen. Die Kommission, die 2022 das so genannte Missbrauchsgutachten für das Erzbistum auswertete, hatte der erzbischöflichen Verwaltung bescheinigt, dass sie im Umgang mit Beschwerden effektiver werden müsste. Manche Beschwerde versacke im kirchlichen Behördendschungel, weil die Verfahrenswege unklar seien. Nicht selten richten unzufriedene Katholiken ihre Beschwerden an mehrere Stellen gleichzeitig und erhielten dann im ungünstigen Fall verschiedene nicht aufeinander abgestimmte Reaktionen. Im vergangenen Dezember hat Generalvikar Manfred Kollig deshalb ein Beschwerdemanagement eingerichtet, besetzt mit der Juristin Esther Große, Referentin in der Rechtsabteilung des Ordinariats. Sie nimmt Beschwerden über ein Kontaktformular auf der Bistums-Internetseite, per E-Mail, Postbrief oder telefonisch entgegen. Auch Lob und Verbesserungsideen sind bei ihr an der richtigen Adresse. In anderen Dienststellen eingehende Anliegen sollen bei ihr gebündelt werden. Sie reagiert auf schriftliche Beschwerden innerhalb von 48 Stunden mit einer Eingangsbestätigung, leitet Anliegen, die sie nicht selbst klären kann, an die Zuständigen weiter und hält die Beschwerdeführer auf dem Laufenden über den Bearbeitungsstand ihres Anliegens. Mehr als 30 Beschwerden sind seit Dezember bei ihr eingetroffen, viele davon über das Erzbischöfliche Büro, die Pressestelle oder die Katholischen Büros, manche auch direkt. „Die Bandbreite der Themen war groß“, erläutert sie und nennt Beispiele: Das Wort der ostdeutschen Bischöfe „Eintreten für die Demokratie“ sei für mehrere Katholiken Anlass zur Beschwerde gewesen. Andere hätten sich über den Verwaltungsleiter ihrer Pfarrei beschwert, über herumliegenden Müll auf dem Friedhof und Schimmelbefall in der Kirche. Ein Vater klagte, er sei mit seinem Kind aus dem Gottesdienst geschickt worden, weil es zu lange geweint habe, ein Elternpaar mokierte, dass ihr Kind keinen Platz an der katholischen Schule bekam. „Alle finden Gehör und sollen erleben: Kritik ist für uns eine willkommene Chance, uns zu verbessern. Niemand bekommt hier die Antwort: Pech gehabt, wir sind nicht zuständig“, betont Esther Große. Sie nehme alle Beschwerden entgegen und leite sie in Absprache mit ihren Kolleginnen der Rechtsabteilung gegebenenfalls weiter – auch im Fall des Friedhofsmülls, obwohl die katholische Kirche nicht Träger des Friedhofs war. Die Informationen, die sie etwa aus dem Pastoralbereich, vom Büro des Erzbischofs oder von anderen Zuständigen erhalte, verarbeite sie in ein allgemein verständliches Antwortschreiben. „Auch wenn es nicht primär um die Klärung juristischer Sachverhalte geht, ist meine juristische Ausbildung bei der Einschätzung hilfreich.“ Sie sei gewohnt, sich mit Problemen auseinanderzusetzen und habe gelernt, beleidigende Äußerungen nicht persönlich zu nehmen. Allerdings habe sie nur bei zehn Prozent der bisherigen Beschwerden einen verletzenden Ton wahrgenommen. Nicht alle Verfahrenswege seien bereits geklärt, sagt Esther Große, „in den ersten Monaten vernetze ich mich zum Beispiel mit der Caritas und grenze meine Zuständigkeiten ab.“ So ist es ihr wichtig, Beschwerden von politischen Debattenbeiträgen zu unterscheiden. Sobald sie einen Hinweis auf sexualisierte Gewalt erkennt, verweist sie auf die unabhängigen Ansprechpersonen für Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs. Wenn kirchliche Mitarbeiter sich über ihre Vorgesetzten beschweren, sei sie auch nicht die richtige Adresse. Eigens geklärt ist das „Digitale Hinweisgebersystem“ im Erzbistum für Regelverstöße, von denen Mitarbeiter im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit Kenntnis erlangt haben. Das Erzbistum Berlin ermutigt über einen externen Dienstleister Mitarbeiter, Ehrenamtliche und Außenstehende, Rechtsverstöße und Fehlverhalten innerhalb der Organisation anonym zu melden und mitzuhelfen, Schäden zu vermeiden. Esther Große ist dienstags und mittwochs von 9 bis 11 Uhr unter 0 30 / 32 68 41 78 erreichbar und immer per E-Mail (beschwerde@erzbistumberlin.de)   Das Erzbistum Berlin hat jetzt eine Beschwerdemanagerin
Christina Innemann „Mein Schwiegervater ist zurück“, schrieb mir jemand. An die Nachricht war ein Foto angehängt – von einem Baum. Christina Innemann Katholische Polizeiseelsorgerin in Mecklenburg-VorpommernIch hatte schon vom Wunsch der Hinterbliebenen gehört, ein neues Angebot zu nutzen: Der tote Schwiegervater wurde eingeäschert. Anschließend schickte man die Asche ins Ausland. Dort wurde ein Baum daraus gezogen. Später kam der Baum nach Deutschland. Die Hinterbliebenen wollten ihn im Garten einpflanzen. „Wenn ihr Unterstützung für eine Gedenkfeier braucht, sagt Bescheid“, hatte ich dem Kollegen von der Landespolizei angeboten. Die Familie hat keinen religiösen Hintergrund. Aber ich hatte das Bauchgefühl, dass es wichtig wäre, sie dennoch zu unterstützen. Ein würdevolles Ritual, eine kleine Gedenkfeier – das wollte ich ermöglichen. Mein Entschluss sorgte zu Hause für Diskussionen. „Ist das überhaupt legal?“, fragte mein Mann. Außerdem tauschten wir uns darüber aus, wie weit ich als katholische Seelsorgerin gehen würde, um Einsatzkräfte in Trauer-Zeiten zu unterstützen. Ich blieb bei meiner Zusage. Kurz vor meinem Schlusswort bei der Gedenkfeier meldeten sich zwei Gäste. „Wir müssen jetzt noch beten. Das brauchen wir. Weil wir eben christlich sind“, sagten die beiden betagten Damen energisch. Ich war genauso überrascht wie die Tochter und der Schwiegersohn des Verstorbenen. Dann stand ich mit beiden Frauen vor dem Baum und betete ein Vaterunser. Die Entscheidung, einen Baum aus der Asche eines Verstorbenen zu ziehen, wird mir sicher fremd bleiben. Gleichzeitig respektiere ich, dass es für die Familie die richtige war. Am Ende stand ich als Polizeiseelsorgerin betend in der Runde der Hinterbliebenen. Was für eine göttliche Fügung! Anstoß 15/2024

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